Robert-Gerwig

Robert Gerwig: unser Namensgeber

Als unsere Schulgemeinschaft sowie die Stadt Hausach als Schulträger im Jahre 1996 dem "Gymnasium Hausach" einen weniger anonymen Namen verleihen wollten, sollte der Namensgeber (oder die Namensgeberin) jemand sein, der sowohl eine Bedeu- tung für die Region als auch einen Bezug zum da- maligen Typus der mathematisch-naturwissenschaft- lichen Schule in seiner Person vereinigt. Seit dem Frühjahr 1997 heißen wir nun
 "Robert-Gerwig-Gymnasium".

Robert Gerwig (2.5.1820 – 6.12.1885) war ein hochintelligenter, pflichtbewusster, ungewöhnlich fleißiger, willensstarker, zuweilen vielleicht auch herrischer Mensch. Seine technische Begabung ließ ihn für schwierige Probleme pragmatische Lösungen finden zu einer Zeit, als noch nicht so sehr die Forschung, sondern eher die Erfahrung, die Intuition, das Einfühlungsvermögen und die Naturbeobachtung dem Bautechniker die Wege wiesen. Er war ein vielseitiger, ideenreicher Bauingenieur, ein Naturfreund und Geologe, schließlich erfolgreich als Straßen-, Eisen- bahn-, Brücken- und Tunnelbauer, Volkswirtschaftler, Verkehrs- und Wasserversorgungsfachmann. Er war nicht nur der geborene Techniker, denn auch als Botaniker, vor allem in der Mooskunde, machte er sich einen Namen in der Fachwelt. Die damals neu gegründete Staatliche Uhrmacher-Schule in Furt- wangen wurde von ihm aufgebaut, erweitert und im staatlichen Auftrag als Direktor von 1850 bis 1857 geleitet.

Als Vertreter der National-Liberalen Partei des Wahlkreises Hornberg-Wolfach-Triberg-Furtwangen gehörte Robert Gerwig zunächst der Zweiten Kammer der Badischen Landstände an, vertrat dann Pforzheim im Landtag. Von 1878 bis zu seinem Tod war er Reichstagsabgeordneter des Gebietes Villingen- Bonndorf. Er zeigte damit seine Überzeugung, dass ein Ingenieur auch im politischen Leben tätig sein müsse.

Als Mitglied des Reichstages hat Gerwig beim Bau des Reichstagsgebäudes in Berlin mitgewirkt, wobei er sich dafür   einsetzte, dass "ein Bauwerk ein Kind seiner Zeit sein muss".

Wegen seiner Verdienste um das Reichstagsgebäude wurde er zum außerordentlichen Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie des Bauwesens in Berlin ernannt.

Gerwig suchte bei seiner Arbeit keine faulen Kompromisse, sondern er nahm mit großer Ausdauer, soweit wie möglich, den geraden Weg zum Ziel. Dabei war er nicht immer ein bequemer Mann. Entsprechend seiner Epoche war er ein Vertreter der damaligen Kleinstaaterei und einer heute überholten unein- geschränkten Staatsbahnidee.

Sein Denken und Handeln waren sicherlich stark von den politischen Ereignissen der Jahre 1848 und 1870/71 beeinflusst. Seine Eigenschaften, Auf- fassungen und sein Wirken verschafften ihm verständlicherweise nicht nur Bewunderung, sondern auch Kritik. Gerwig, als Sohn eines Staatsbeamten 1820 in Karlsruhe geboren, besuchte vom 14. bis 20. Lebensjahr die von Oberst Tulla gegründete Großherzoglich Badische Polytechnische Schule Karlsruhe. Dieses Studium, das er mit glänzendem Erfolg ("vorzüglich befähigt") abschloss, war die Grundlage seiner späteren großen beruflichen Leistungen. Seine Ingenieur- und Beamtenlaufbahn begann er als Ingenieurpraktikant bei den Wasser- und Straßenbauinspektionen Bruchsal, Freiburg und Rastatt. Zunächst im Straßenbau bewies er seine vielseitigen technischen Fähigkeiten.

Nach seinen Plänen und unter seiner Leitung entstanden Straßen (von Vöhrenbach nach Villingen, von Gütenbach nach Furtwangen und die Murgtalstraße), die ihn mit den besonderen Verhältnissen einer bergigen Landschaft vertraut machten und ihm das notwendige praktische Rüstzeug für den späteren Gebirgsbahnbau gaben. Bald beschäftigte er sich vornehmlich mit dem Bau von Eisenbahnlinien in der Oberrheinischen Tiefebene. (1855 wurde der Badische Bahnhof Kleinbasel auf Schweizer Gebiet eröffnet). Im Jahre 1846 wurde er bereits Referent und später Assessor, Baurat und Oberbaurat bei der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues Karlsruhe und schließlich 1871 Baudirektor sowie 1875 Leiter der Bauabteilung der Großherzoglichen Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen in Karlsruhe. Seine Ehe blieb zwar kinderlos, aber er war – so heißt es jedenfalls – glücklich verheiratet.

Allgemein bekannt ist Gerwig vor allem als international anerkannter Erbauer von Eisenbahnen.

Er baute die Rheintalbahn Waldshut-Konstanz (1860-1863), die Schwarzwaldbahn Offenburg-Singen (1865-1873), die Höllentalbahn Freiburg-Neustadt, hierbei auch den Ravenna- Viadukt (1884-1887), und weitere badische Nebenbahnen.

Die erste Eisenbahn-Großbrücke zur Schweiz wurde von Gerwig im Zuge der Eisenbahnstrecke Waldshut-Zürich bei Waldshut über den Rhein geschlagen (1859). Dieser Brückenbau war bei dem damaligen Stand der Technik eine Meisterleistung. Später folgten die Konstanzer Rheinbrücken für die Straße (1858/1862) und für die Eisenbahnstrecke Waldshut-Konstanz (1861/63). Gerwigs technische Auffassungen und menschliche Eigenschaften können heute nur lückenhaft nachgezeichnet werden, weil zahlreiche Unterlagen im Laufe derZeit – besonders zuletzt durch Kriegseinwirkungen – verloren ge- gangen sind. Doch sein Werk zeugt für ihn und rückt ihn in die Reihe der großen deutschen Pioniere der Bautechnik. Er starb am 6. Dezember 1885 in Karls- ruhe an den Folgen eines Schlaganfalls [greifbare Beweise für die immer wieder verbreiteten Selbstmordgerüchte gibt es nicht], mitten in der Arbeit für die Planung und den Bau der Höllentalbahn. Als der Großherzog 1887 diese Bahnlinie eröffnete, fehlte ihr Konstrukteur bei der Zeremonie.

Hans Peter Frech